Anlagepolitik 1. Quartal 2024

Rückblick

Unter den Finanzmarktbeobachtern herrscht Einigkeit darüber, dass das insgesamt erstaunlich erfreuliche Börsenjahr 2023 die Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Erstaunlich auch deshalb, weil das vergangene Jahr eigentlich unter ungünstigen Vorzeichen stand. Zu Beginn des Jahres dämpften Inflationsängste, deutlich steigende Zinsen und schwache Wirtschaftsprognosen die Stimmung. Das Umfeld verdüsterte sich weiter, als im Frühjahr verschiedene US Regionalbanken Insolvenz anmelden und in der Schweiz die UBS ihre Mitbewerberin Credit Suisse übernehmen musste. Diese beispielslose Rettungsaktion verhinderte zwar eine Krise des globalen Finanzsystems, das Vertrauen der Anleger hatte aber einen Tiefpunkt erreicht. In diesem Umfeld der Unsicherheiten erschien ein erfolgreiches Jahr an der Börse kaum möglich. Doch einmal mehr kam es anders. Die Zentralbanken bewiesen, dass sie in der Lage waren, die Inflation in den Griff zu bekommen, die Realwirtschaften haben zwar spürbar an Dynamik verloren, Rezessionsniveaus wurden aber mehrheitlich (noch) nicht erreicht. Auch die geopolitischen Spannungen in der Ukraine und im Nahen Osten haben die Finanzmärkte, wenn überhaupt, nur vorübergehend belastet.

Nach einer stärkeren Korrektur der Aktienmärkte zu Beginn der Berichtsperiode erfolgte ein signifikanter Stimmungsumschwung, nachdem die Notenbanken signalisiert hatten, die Zinsen nicht mehr weiter anzuheben. Im Gegenteil wurden deutliche Zinssenkungen für 2024 in Aussicht gestellt.

Der Weltaktienindex MSCI legte um stattliche 20.6 % zu. Überproportional gestiegen ist der US-Technologieindex Nasdaq Composite mit einem Plus von 43.4 %. Die Wachstumstreiber setzten sich aus den sieben Aktien Apple, Alphabet, Amazon, Facebook, Microsoft, Nvidia und Tesla zusammen.  Der breit gefasste S&P 500 stieg um 24.2  %. Auch die europäischen Märkte verzeichneten solide Wertzuwächse, vorab der deutsche DAX mit +20.3 %, der repräsentativere Euro Stoxx 600 mit +16.7%. Der Schweizer Bluechip Index SMI erzielte mit +3.8 % ein unterdurchschnittliches Resultat, weil die beiden Indexschwergewichte Nestlé und Roche deutlich an Wert einbüssten. In Asien legte der japanische Nikkei um 28.2 % zu (bei gleichzeitig zur Schwäche neigender Währung Yen), Hongkong und China hingegen enttäuschten mit -13.8 % bzw. -3.8 %.

Die detaillierte Übersicht über die Börsenindizes befindet sich in der Beilage 1, die Kommentierung der anlagepolitischen Thesen für 2023 in der Beilage 2 und die Thesen für 2024 in der Beilage 3.

Bei den einzelnen Branchen ist der bereits erwähnte Höhenflug der Technologieaktien augenfällig, Werte aus den Versorgungs- und Gesundheitssektoren entwickelten sich hingegen unterdurchschnittlich.

Ein regelrechtes Wechselbad erlebten im vergangenen Jahr die Anleihenmärkte. Nach einem markanten Renditeanstieg der 10-jährigen US-Staatsanleihen auf 5 % bis Ende Oktober, folgte ein Rückgang auf 3.85 % zum Jahresende, und damit zurück auf das Niveau vor Jahresfrist. Die Renditen der deutschen Bundesanleihen ermässigten sich im gleichen Zeitabschnitt von 2.9 % auf 2.0 %, die Schweizer Eidgenossen von 1,5 % auf 0.65 %.

Die kontinuierliche Abschwächung des USD setzte sich im ganzen Jahresverlauf fort, gegenüber dem CHF und EUR resultierten Abwertungen von -9,0 % bzw. -3,0 %.

Ein weiteres starkes Jahr erlebte der Goldpreis, mit einem Plus von 13 % (USD-Basis) resp. +4 % in CHF sowie +10 % in Euro. Generell tiefer notierten – mit Ausnahme vereinzelter Agrarrohstoffe – die übrigen Rohstoffe, insbesondere notierte der Ölpreis im Jahresvergleich um 10 % tiefer.

Standortbestimmung

Die Konsens-Erwartungen der Ökonomen, Marktstrategen und Anlagechefs für das Jahr 2024 können grob zusammengefasst wie folgt dargestellt werden: Nach einem der schärfsten Zinserhöhungszyklen der Geschichte dürften 2024 bereits im ersten Halbjahr Lockerungen folgen, auch dank dem weiteren Rückgang der Inflation. Den Notenbanken sollte dabei eine sanfte Landung der Wirtschaft gelingen, sprich eine Rezession wird vermieden. In diesem Umfeld legen Anleihen und Aktien weiter zu, wenngleich die Avancen eher bescheiden ausfallen dürften. Auch bei Rohstoffen und Edelmetallen überwiegt der positive Tenor. Geopolitische Risiken oder die Präsidentschaftswahlen in den USA bergen das Potential für böse Überraschungen.

Wir beurteilen diese Erwartungen in verschiedener Hinsicht skeptisch. Die schmerzlichen Erfahrungen aus den 70er Jahren, als die Notenbanken die Zinsen zu früh und zu stark gesenkt hatten und damit letztlich die Inflation wieder anheizten, sind in Erinnerung. Zudem bleiben langfristige, strukturelle Inflationstreiber bestehen (Demographie, Arbeitskräftemangel, Verschiebung der Lieferketten, Wandel zu grüner Energie). Vor diesem Hintergrund erscheint uns eine sanfte Landung der Wirtschaft bzw. das Vermeiden rezessiver Tendenzen sehr optimistisch. Auch von China sind keine grossen Wachstumsimpulse zu erwarten.

Es fällt auch auf, dass die fragilen Staatsfinanzen derzeit wenig thematisiert werden. Die Staatshaushalte dürften – auch wegen der avisierten Aufrüstungspläne – munter weiterwachsen, obwohl die jeweiligen Staatsschuldenhöhen im historischen Vergleich teilweise schon kritische Marken erreicht haben. Dabei könnte ein – wegen höherer Zinsen – teurerer Schuldendienst der Staaten zu grundsätzlichen Fragen nach den Bonitätsrisiken führen.

 Eine Alternative für all jene, die punktgenaue Prognosen nicht als Grundlage für die Anlageentscheidungen unterlegen wollen, ist die nüchterne Statistik. Sie besagt nämlich, dass Anleger mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % innert Jahresfrist einen Wertzuwachs erreicht haben werden. Zudem nimmt die Verlustwahrscheinlichkeit mit zunehmender Haltedauer stetig ab. Wer Aktien drei Jahre hält, kommt auf eine Gewinnchance von 77 %, nach 7 Jahren liegt diese bei 88 %, nach 10 Jahren bei 91%. Das führt uns auch zum fundamentalen Unterschied zwischen einer Geldanlage und dem Kasino: während sich kurzfristige Ausschläge der Kurse nur schwer voraussagen lassen, so zahlt sich ein langer Atem mit Bestimmtheit aus. Der Börsenaltmeister André Kostolany hat es treffend formuliert: «Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.» Der guten Ordnung halber sei präzisiert, dass die Voraussetzung eine gute und sorgfältige Selektion der Anlagen ist.

Ausblick

 Für die weitere Entwicklung der Finanzmärkte beurteilen wir die verschiedenen Chancen und Risiken in folgender Weise:

Chancen:

  • Die Aktienmärkte zeigen eine erstaunliche Resilienz und negieren weiterhin die bestehenden Risiken und Unsicherheiten. Ein Szenario im Rahmen der beschriebenen Konsenserwartungen könnte diesen Trend unterstützen.
  • Die Aktien-Bewertungen in verschiedenen Sektoren sind – mit Ausnahme des Technologiesektors – im historischen Vergleich und mit durchschnittlichen Gewinnwachstumserwartungen 2024 im hohen einstelligen Bereich moderat.

Risiken:

  • Eine harte Landung der relevanten Volkswirtschaften wäre in den aktuellen Marktbewertungen nicht eingepreist.
  • Ausbleibende bzw. zeitlich verzögerte Zinssenkungen oder eine entgegen den Erwartungen wieder ansteigende Inflation müsste zu Bewertungsanpassungen führen.
  • Risikopotential für die Aktienmärkte besteht auch bei einer weiteren Verschärfung der geopolitischen Lage.

Anlagepolitische Konklusionen:

  • Aktienengagements werden am unteren Ende der definierten Bandbreiten gehalten.
  • Qualitätsaktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungskraft und gesunden Bilanzen sowie eine vernünftige Diversifikation über verschiedene Sektoren bilden den Kern unserer Portfolios.
  • Festverzinsliche Anlagen fokussieren kurze bis mittlere Restlaufzeiten und solide Bonitäten stehen bei der Investition im Vordergrund.
  • Goldanlagen erfüllen unverändert ihre Funktion als klassische «Absicherung» und realen Werterhalt.

Beilage 1

Beilage 2

Anlagepolitische Thesen 2023 / Kommentierung Januar 2024         

  1. Wir erwarten eine milde Rezession mit anschliessender langsamer Wirtschafts­er­holung.
    Europa verzeichnete zwar eine deutliche Wirtschaftsabschwächung, rezessive Tendenzen (Ausnahme Deutschland) blieben jedoch aus. Die Wirtschaft der USA wuchs erstaunlich stark, wogegen sich die chinesische Wirtschaft deutlich unter Potential entwickelte.
  1. Die Inflation wird im ersten Halbjahr 2023 ihren Höhepunkt erreichen und von dort nur allmählich nachgeben
    Die Inflation ist seit den im ersten Halbjahr erzielten Höchstwerten von 9,1 % (USA) beziehungsweise 10,6 % (Europa) markant auf 3,1 % respektive 2,9 % gefallen.
  1. Nach weiteren, nicht mehr so drastischen, Zinserhöhungen erwarten wir im Jahres­ve­rlauf eine Stabilisierung des Zins­niveaus. Eine rasche Lockerung ist aber in der Folge unwahrscheinlich.
    Nach weiteren 4 (USA) bzw. 3 (Europa) Zinserhöhungen in den ersten 3 Quartalen 2023 hat sich das Zinsniveau stabilisiert. Zinssenkungen blieben aus.
  1. Wir erwarten ein moderat steigendes Zinsniveau an den Rentenmärkten.
    Nach stark ansteigenden Renditen an den Rentenmärkten bis Oktober erfolgte ein sehr deutlicher Renditerückgang, sogar unter das Niveau vom Jahresendstand 2022.
  1. Bei Aktienanlagen ist von insgesamt leicht positiven Gesamtrenditen, bei hohen Schwankungen, auszugehen.
    Wir haben die Dynamik der Auftriebskräfte an den Aktienmärkten unterschätzt, auch die Schwankungsbreite der Kursbewegungen fiel vergleichsweise tief aus.
  1. Rohstoffpreise, inklusive Gold, bleiben stabil.
    Der Goldpreis verzeichnete einen Kursanstieg von rund 13 % (US$-Basis), die Preise der übrigen relevanten Rohstoffe verzeichneten hingegen leichte Einbussen.

Beilage 3

Anlagepolitische Thesen 2024

Im Rahmen der Thesen stellen wir den Handlungsrahmen unserer anlagepolitischen Entscheide vor. Zu Beginn des Folgejahres werden diese rückblickend wieder kritisch betrachtet.

  1. Wir erwarten eine Rezession in den USA und in Europa.
  2. Die Inflation wird sich auf aktuellem Niveau im besten Fall stabilisieren, verbleibt im historischen Vergleich aber auf einem höheren Niveau.
  3. Die gelpolitische Lockerung wird später und weniger stark ausfallen als vom Markt erwartet (i.e. 6 Zinssenkungen à je 0,25 %).
  4. An den Rentenmärkten ist im Jahresverlauf von leicht sinkenden Renditen auszugehen.
  5. Die Gesamtrenditen bei Aktienanlagen fallen bescheiden aus, die Dividendenerträge bilden dabei den wesentlichen Bestandteil.
  6. Gold behält seinen Charakter als «Absicherung», wir erwarten weiterhin einen positiven Verlauf.