Anlagepolitik 4. Quartal 2022

Rückblick

Nach einer vorübergehenden, leichten Erholung der Finanzmärkte in der ersten Hälfte der Berichtsperiode, setzte sich ab Mitte August die Abwärtsbewegung an den Aktien- und Rentenmärkten fort und führte zu neuen Jahrestiefstwerten. Die Kombination von nochmals deutlich angehobenen Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken und der weiteren Eintrübung der konjunkturellen Vorlaufindikatoren provozierten einen regelrechten Stimmungseinbruch. Mittlerweile haben alle relevanten Aktienmärkte den «Bear Markt»-Status erreicht, welcher Kurseinbussen von mindestens 20% vom Höchststand unterstellt.

Der Weltaktienindex MSCI verlor seit Jahresbeginn-26,4%, der amerikanische S&P500 -24.8% und der Technologie-Index Nasdaq Composite -31.0%. Die europäischen Börsen fielen in ähnlicher Weise zurück, der deutsche DAX büsste -23.7% ein, der breit gefasste Eurostoxx 600 -21.8% und die Schweizer Börse -19.9% (SPI). Leicht besser hielten sich die asiatischen Börsen, der chinesische Markt fiel um -16.9% (Shanghai A-Index), Japan um -9.4% (Nikkei) Hongkong fiel um -27.6%.

Bei der Entwicklung der einzelnen Sektoren sind einzig die Vertreter der Öl- und Gasbranche im positiven Bereich. Die grössten Verluste liegen im Technologiebereich sowie bei Aktien des zyklischen Konsums. Etwas bessere, aber ebenfalls rückläufige Preise verzeichnen Versicherungs- und Telekommunikationsvaloren.

Die mehrfachen Leitzinserhöhungen führten auch bei den Staatsanleihen zu einem anhaltenden Aufwärtsdruck. Die 10-jährigen US-Treasuries weisen aktuell eine Verfallrendite von 3.7% auf (Jahresende 1.5%), die deutschen Bundesanleihen liegen bei 2,1% (-0.18%), die Eidgenossen bei 1.2%
(-0.14%) und somit wieder im deutlich positiven Renditebereich.

Die Erstarkung des US-Dollars zum Euro und Schweizer Franken setzte sich auch in der Berichtsperiode fort, der Euro unterschritt gegenüber dem Schweizer Franken erstmals seit Einführung als Buchgeld im Jahr 1999 die Parität (-7% seit Jahresbeginn).

Die Goldpreisentwicklung verlief vor dem Hintergrund höherer (Real-)Zinsen und des stärkeren US-Dollars leicht rückläufig (-8%). Der Ölpreis korrigierte seine im ersten Quartal erzielten Höchstwerte deutlich, verzeichnet aber immer noch einen Anstieg von 12% im bisherigen Jahresverlauf.

Standortbestimmung

Die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen und Äusserungen der wichtigsten Notenbanken der Industriestaaten (mit Ausnahme Japans) zeigen mit aller Deutlichkeit, dass der Inflationsbekämpfung zurzeit oberste Priorität zukommt. „Die Preisstabilität sei das Fundament der Wirtschaft, und ohne Preisstabilität sei das zweite Ziel, die Vollbeschäftigung, nicht zu erreichen.“ Mit dieser Aussage bringt die US-Notenbank unmissverständlich zum Ausdruck, auch eine länger anhaltende Schwächephase der Wirtschaft in Kauf zu nehmen, um die Inflation nachhaltig zu senken. Zudem birgt die nach wie vor robuste Entwicklung an den Arbeitsmärkten die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale.

Parallel zur Neubewertung der Geldpolitik haben sich die konjunkturellen Aussichten in allen grossen Wirtschaftsräumen nochmals deutlich verdüstert. Für Europa stellt die Energiekrise die Hauptursache dar, in den USA belasten die höheren Finanzierungskosten die zinssensitiven Wirtschaftsbereiche. China kämpft aufgrund des Festhaltens an der Null-Covid-Strategie weiterhin mit der Eindämmung der Pandemie, einem Einbruch des Immobiliensektors und einem sich abschwächenden Aussenhandel.

Das Zusammenspiel von höheren Zinsen, Ukraine-Krieg mit der drohenden Energiekrise in Europa und abnehmender Konkjunkturdynamik bei erhöhtem Kostendruck erhöht das Risiko rückläufiger Unternehmensgewinne. Dieser Umstand könnte die Finanzanalysten dazu veranlassen, ihre Schätzungen für die kommenden Quartale deutlich zu senken. Grössere Marktkorrekturen als Reaktion darauf wären zu erwarten, wenn diese Ausblicke auf eine globale Gewinnrezession deuten würden.

Ausblick

Für die weitere Entwicklung der Finanzmärkte beurteilen wir die verschiedenen Chancen und Risiken in folgender Weise:

Chancen:

  • Die deutlichen Marktkorrekturen der vergangenen Monate preisen eine Rezession bereits ein.
  • Die Aktienbewertungen haben sich mittlerweile deutlich verbessert und sind für zahlreiche Unternehmen günstig.
  • Eine unerwartete Entspannung der geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken ist nicht gänzlich auszuschliessen.

Risiken:

  • In einer Rezession fallen die Unternehmensgewinne im Durchschnitt um rund 30%. Die Anpassungen der Gewinnschätzungen durch die Finanzanalysten sind bisher nur in bescheidenem Ausmass erfolgt.
  • Eine Eskalation der mangelnden Energieversorgung, speziell in Europa, würde die rezessiven Tendenzen noch deutlich verstärken.
  • Staaten und Unternehmen mit schlechteren Bonitäten sind mit deutlich steigenden Finanzierungskosten konfrontiert, Herabstufungen der Rating-Agenturen sind bisher aber weitgehend ausgeblieben.

Anlagepolitische Konklusionen:

  • Wir empfehlen, an aktuellen Aktienengagements grundsätzlich festzuhalten. Zukäufe sind punktuell bei dividendenstarken Titeln zu erwägen. Von Aktienübergewichtungen sehen wir ab.
  • Qualitätsaktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungskraft und gesunden Bilanzen sowie eine vernünftige Diversifikation über verschiedene Anlageklassen bilden die Basis unserer Portfolios.
  • Festverzinsliche Anlagen bleiben angesichts der weiterhin tiefen nominellen Renditen und des steigenden Zinstrends deutlich untergewichtet. Liquidität behält ihre herausragende Stellung.
  • Goldanlagen dienen, trotz jüngst leichter Preiseinbussen, als «Absicherung». Der Ölpreis bleibt volatil, dies ändert nichts an der Tatsache, dass ein substantieller Nachfrageüberhang besteht. Wir empfehlen dabei, an den Engagements der grossen Unternehmen festzuhalten.

 

Beilage 1