Anlagepolitik 2. Quartal 2023

Rückblick

Die globalen Aktienmärkte zeigten sich im ersten Quartal auf den ersten Blick erstaunlich optimistisch mit einer starken Erholung nach dem durchwegs schlechten Vorjahr. Auf den zweiten Blick jedoch darf man die Wirkung der bedeutenden Zentralbankeingriffe nicht unterschätzen, die bei ihrer klaren Antiinflationspolitik blieben. Dies stellten sie wiederholt unter Beweis und erhöhten dementsprechend die Zinsen. Als weitere Komplikation stellte sich im März die Frage nach der Stabilität der Geld- und Finanzmärkte mit den Liquiditätsproblemen zweier Grossbanken dar, die zu ausserordentlichen Massnahmen riefen. Dies brachte zunächst die Aktienmärkte gehörig unter Druck, bevor sich zum Quartalsende die Optimisten durchsetzen konnten. Aufschwungshoffnungen verbinden sich unverändert mit der Wiedereröffnung Chinas, den doch recht guten Konjunkturdaten und den besser als erwartet abschneidenden Unternehmen.

Der zweitgrösste Bankenkonkurs in der Geschichte der USA (Silicon Valley Bank) und der in dieser Größenordnung nicht erwartete Vertrauensverlust gegenüber einer der weltweit grössten Banken (Credit Suisse) haben im März die Märkte geschockt und ungute Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008/9 geweckt. Vor der per Notrecht durchgesetzten und sehr komplexen Übernahme der Credit Suisse durch UBS erreichten Nervosität und Hektik Mitte März vorerst einen Kulminationspunkt. Auf beiden Seiten des Atlantiks haben Notenbanken, Aufsichtsbehörden und Regierungen jedoch rasch reagiert und das Finanzsystem mit Milliarden an zusätzlicher Liquidität versorgt. Seitdem haben sich die Gemüter wieder beruhigt und die Finanzmärkte stabilisiert. Die Nachwirkungen der Übernahme für den Schweizer Finanzplatz werden jedoch Jahre lang anhalten.

Der Weltaktienindex MSCI legte im ersten Quartal um +7.3% zu, auch der amerikanische S&P um +7%. Eine deutliche und in dem Ausmass unerwartete Erholung zeigte der Technologie-Index Nasdaq Composite mit +15.9%. Die europäischen Börsen stiegen ebenfalls deutlich, der deutsche DAX um +12.2%, der breit gefasste Eurostoxx 600 um +7.8% während die Schweizer Börse (der SPI) mit +5.9% unterdurchschnittlich zulegte. In Asien präsentiert sich das Bild heterogen, der japanische Nikkei erhöhte sich um +8.0%, Hongkong sowie China (Shanghai) blieben mit +2.9% bzw. +6.8% zurück. (Die detaillierte Übersicht über die Börsenindizes befindet sich in der Beilage 1.)

Bei der Entwicklung der einzelnen Branchen stechen die beiden Sektoren Technologie (nach der deutlichen Korrektur im Vorjahr) und Konsumgüter positiv hervor. Energie- und Banktitel hingegen tendierten seitwärts oder gar rückläufig, wie auch der gesamte Rohstoffsektor.

Obwohl die Notenbanken die Leitzinsen weiter erhöht haben, sind die Renditen an den Anleihenmärkten nach Ausschlägen wegen wachsender Konjunktursorgen teilweise deutlich gesunken. Die Renditen für 10-jährige US-Staatspapiere standen zum Quartalsende bei 3.5% (Jahresendstand 3.7%), die deutschen Bundesanleihen bei 2.3% (2.4%), die Eidgenossen bei 1.2% (1.5%). Im 12-Monatsvergleich verbleiben jedoch überall starke Zuwächse.

An den Devisenmärkten kam es zu vergleichsweise kleinen Veränderungen, mit einer leichten Erstarkung des CHF und Euro gegenüber dem US$.

Der Goldpreis legte vor dem Hintergrund des hohen Preisdrucks und der vorübergehend angespannten Konstellation im Bankensektor um rund 9% zu. Der Ölpreis und die Notierungen der meisten anderen Rohstoffe waren dank der sich leicht entspannenden Angebotssituation rückläufig.

Standortbestimmung

Die zukünftige Ausgestaltung der Geldpolitik stellt einen wichtigen Einflussfaktor für die Konjunktur dar. Die Turbulenzen im Bankensektor haben gezeigt, dass sich die Notenbanken zunehmend in einem Zielkonflikt befinden. Während bisher die Bekämpfung der Inflation gegenüber der Konjunktur klare Priorität genoss, gewinnt nun die Finanzstabilität zunehmend an Bedeutung. Mit den erneuten Zinserhöhungen im März haben die grossen Notenbanken zwar signalisiert, dass die Inflationsrisiken noch nicht gebannt sind und dass sie ihre Hauptaufgabe weiter ernst nehmen. Gleichzeitig ist die Finanzstabilität zu gewährleisten, ohne dabei die konjunkturelle Entwicklung zu beeinträchtigen. Insgesamt ist aus aktueller Sicht von einer zunächst milden Rezession in den USA und Europa auszugehen.

Die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger in Europa sind um ihre Aufgaben wahrlich nicht zu beneiden. Nur um die wichtigsten zu benennen: In England belastet der Brexit mit schweren Nach­wir­kun­gen bis in die Fiskalpolitik hinein die Agenda, in Frankreich spitzt sich der Konflikt um die Rentenre­­form weiter zu (Regierung und Straße stehen einender ziemlich radikalisiert gegenüber), in Deutschland kommen mehr und mehr Begehrlichkeiten auf weitere nicht solide finanzierte fiskalpolitische Groß­pakete auf, Italien verlässt sich dramatisch auf die Finanzierung durch das x-te Reformpaket aus Brüssel (weil der eigene Haushalt leer ist), Brüssel ist auch mit sich selbst, den unzähligen Hilfsmaßnahmen noch aus der Corona-Zeit sowie der permanenten Euro-Stützung (whatever-it-takes-Denkmuster) beschäftigt, während die Schweiz (wieder in Anwendung des Notrechts) mit Aufbietung auch starker fiskalpolitischen Ressourcen ihre zweitgrößte Bank vor dem Untergang retten „muss“. Die Liste ließe sich verlängern. Dabei stellt der Krieg in der Ukraine im Grunde bereits in sich große Herausforderungen für die europäische Gemeinschaft dar. Es liegt auf der Hand, dass die Finanzmärkte für ein gutes (und womöglich besseres) Funktionieren auf die Lösung all dieser nur kurz angesprochenen Probleme angewiesen bleiben.

 Ausblick

 Für die weitere Entwicklung der Finanzmärkte beurteilen wir die verschiedenen Chancen und Risiken in folgender Weise:

Chancen:

  • Der Zinserhöhungszyklus nähert sich im Laufe des Jahres dem Ende.
  • Die Aktienbewertungen sind im historischen Vergleich als angemessen zu beurteilen.
  • Die Preise an den Energiemärkten haben sich dank besserer Angebotssituation und tieferer Nachfrage entspannt.

Risiken:

  • Die Inflation hält sich hartnäckig und erfordert weitere restriktive Massnahmen. Eine Stagflation wäre kein gutes Fundament für die Finanzmärkte.
  • In einer Rezession fallen die Unternehmensgewinne im Durchschnitt um rund 30%. Die Anpassungen der Gewinnschätzungen sind bisher deutlich tiefer ausgefallen.
  • Die geopolitischen Risiken bleiben unverändert hoch und schwer einschätzbar.

Anlagepolitische Konklusionen: 

  • Eine offensive Aktienpositionierung drängt sich weiterhin nicht auf.
  • Qualitätsaktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungskraft und gesunden Bilanzen sowie eine vernünftige Diversifikation über verschiedene Sektoren bilden den Kern unserer Portfolios.
  • Festverzinsliche Anlagen bleiben untergewichtet, kurze Restlaufzeiten und solide Bonitäten stehen bei der Investition im Vordergrund.
  • Wandelanleihen sind aufgrund der ungünstigen Rendite-/Risikokonstellation nicht mehr Bestandteil unseres Portfolios.
  • Goldanlagen erfüllen unverändert ihre Funktion als klassische «Absicherung». Rohstoffe sind auch in Stagflationsphasen eine bevorzugte Anlageklasse.

 

Beilage 1