Rückblick
Das letzte Quartal 2022 war von zwei gegenläufigen Entwicklungen gekennzeichnet: Nach dem vorläufigen Tiefpunkt Ende September setzte eine Erholung für immerhin zwei Monate lang ein, bevor im Dezember die erneute Ernüchterung einsetzte. Für das Quartal insgesamt ergaben sich an den Aktien- und Rentenmärkten knapp positive Resultate, die aber an der schlechten Gesamtentwicklung für das Jahr nichts ändern konnten. Als Auslöser dieser Kehrtwende, nach dem überaus positiven Jahr 2021, muss die aktive und energische Inflationsbekämpfung durch die Notenbanken angesehen werden. Die sich verstärkenden geopolitischen Spannungen (Ukraine) und die vorherige starke Geldmengenausweitung haben das Problem mitgeschaffen, so dass die Zentralbanken ihre Politik neu denken und zügig umsetzen mussten. Der Anstieg der Zinsen zieht sich wie ein roter Faden durch das Jahr und belastete die Finanzmärkte, zwischenzeitliche Hoffnungen mancher Marktteilnehmer auf eine Reduktion des Ausmasses der Zinserhöhungen wurden gerade im Schlussquartal jedoch enttäuscht. Für viele Börsen war 2022 das schlechteste Jahr seit 2008.
Der Weltaktienindex MSCI verlor in diesem Jahr -19.3%, der amerikanische S&P 500 -19.4%, nach den Höhenflügen (mit der entsprechenden hohen Bewertung) der jüngeren Vergangenheit wurde der Technologie-Index Nasdaq Composite richtiggehend abgestraft bei -33.1%. Die europäischen Börsen begrenzten ihre Verluste, der deutsche DAX büsste -11.4% ein und der breit gefasste Eurostoxx 600 -12.9%, während sich die Schweizer Börse weniger gut hielt bei -16.7% (SPI). Die asiatischen Börsen durchlitten auch ein sehr gemischtes Jahr, der chinesische Markt fiel um -14.4% (Shanghai SSE), Japan um -9.4% (Nikkei), schliesslich Hongkong um -14.1%. (Die detaillierte Übersicht über die Börsenindizes befindet sich in der Beilage 1, die Kommentierung der anlagepolitischen Thesen für 2022 in der Beilage 2, und die Thesen für 2023 in der Beilage 3.)
Beim Blick auf die Entwicklung der einzelnen Sektoren stechen zwei Branchen positiv hervor: bei teilweise starken Aufwärtsbewegungen glänzten die Titel der Öl- und Gasindustrie und diejenigen der Rüstungsindustrie. Alle anderen Branchen verloren, teilweise kräftig. Die grössten Verluste verzeichneten die Titel der Kommunikations- und der Technologiebranchen, gefolgt von jenen der zyklischen Konsumindustrie. Die Titel des nicht-zyklischen Konsums, der Finanz- und der Gesundheitsindustrien beendeten das Jahr mit geringeren Verlusten.
Die mehrfachen, teilweise bedeutenden, Leitzinserhöhungen führten bei den Anleihen zu einem anhaltenden Anstieg. Die 10-jährigen US-Treasuries wiesen zum Jahresende eine Verfallrendite von 3.7% auf (zum Jahresanfang noch bei 1.5%), die deutschen Bundesanleihen standen bei 2,4% (zum Jahresanfang bei -0.18%), die Eidgenossen bei 1.5% (zum Jahresanfang bei -0.14%). Damit ist die Zeit der Negativrenditen wohl vorbei. Durch die deutlichen Zinsanhebungen verloren bestehende Anleiheengagements an Attraktivität, was teilweise zu starken Kurseinbussen führte.
Die Erstarkung des US-Dollars zum Euro und Schweizer Franken bremste sich zum Jahresende etwas ab, der Euro unterschritt zwischenzeitlich gegenüber dem Schweizer Franken erstmals seit Einführung die Parität, erholte sich aber von den Tiefstkursen (der Euro verlor zum CHF -5% seit Jahresbeginn, zum US-Dollar -6.0%).
Der Goldpreis entwickelte sich vor dem Hintergrund höherer Inflation, höheren (Real-)Zinsen und des starken US-Dollars anfänglich schwach, glich diese Schwäche aber zum Jahresende wieder aus. Der Ölpreis rettete von seinen Hochständen im Frühjahr noch knapp 10% zum Jahresende.
Standortbestimmung
Die Politik der meisten bedeutenden Zentralbanken (seit Dezember auch inklusive Japans) konzentriert sich seit Anfang 2022 auf die Inflationsbekämpfung. Man muss nicht in die Ära von Herr P. Volcker (Fed-Chef 1979-1987) zurückblättern, um zu verstehen, dass die Kombination von hoher Inflation, hohen Rohstoff- und Energiepreisen bei gleichzeitiger Störung der globalen Warenketten (Corona) und den gewachsenen politischen Konflikten (Ukraine) eine recht unglückliche Mischung darstellen. Angesichts der nicht eben guten Ausgangslage der meisten öffentlichen Haushalte bei hohen Schuldenständen steht das Dilemma der Notenbanken voll im Fokus. Die gewählten Zinserhöhungen 2022 deuten darauf hin, dass man das Problem mit einem beherzten Eingriff zwar spät, aber nicht zu spät wieder unter Kontrolle bringen will, bevor man die Wirtschaft wieder an einer längeren geldpolitischen Leine laufen lassen kann. Gemäss den Aussagen der US-Notenbank ist mit einem Höhepunkt der Leitzinsen bei 5.25% zu rechnen, was bei einer sich andeutenden Abflachung der Inflation durchaus realistisch erscheint. Die Lockerung der straffen Geldpolitik würde dies noch nicht vorwegnehmen, aber wenigstens weitere Erhöhungen des Zinsniveaus unnötig machen.
Ausblick
Für die weitere Entwicklung der Finanzmärkte beurteilen wir die verschiedenen Chancen und Risiken in folgender Weise:
Chancen:
- Die deutlichen Marktkorrekturen des Jahres 2022 preisen eine Rezession ein. Eine nur milde Rezession käme den Notenbanken entgegen.
- Viele Aktienbewertungen (insbesondere der IT-Branche) haben sich mittlerweile deutlich verbessert.
- Für die grossen Notenbanken zeigt sich im Jahresablauf 2023 wieder eine verbesserte Konstellation, die es ihnen erlaubt, wieder etwas von der Bremse zu treten. Diese Hoffnung kann sich als verfrüht oder trügerisch erweisen, wie sich im Verlauf des vierten Quartals gezeigt hat.
Risiken:
- Die Inflation präsentiert sich als hartnäckiger Begleiter, die weitere restriktive Massnahmen erfordert. Eine Stagflation, wie in den späten 70-er Jahren, wäre kein gutes Fundament. Im Markt würde dies mit weiteren Kursverlusten quittiert werden.
- Der Ukraine Krieg bildet für Europa durchaus eine starke Zäsur. Die Wirtschafts-, Energie- und Sicherheitspolitik müssen neu aufgestellt werden. Verschiedene staatliche Konjunkturprogramme wurden zur Kompensation der unmittelbaren Folgen (Energiepreise) eingeführt. Bis jetzt kommt Europa gut durch den Energiewinter.
- Chinesische Sorgen könnten belasten. Die hausgemachten Probleme im Immobiliensektor sind bekannt, drücken aber auf den Markt. Das Wachstum hat sich bereits stark abgeschwächt. Die Corona-Krise kommt möglicherwiese erst noch mit voller Wucht auf das Land.
Anlagepolitische Konklusionen:
- Wir halten an aktuellen und insgesamt neutral gewichteten Aktienengagements grundsätzlich fest. Zukäufe sind punktuell bei dividendenstarken Titeln zu erwägen. In der Vergangenheit hat es sich bewährt, gerade in Phasen mit hoher Volatilität investiert zu bleiben, um Kursausschläge nach oben nicht zu verpassen.
- Qualitätsaktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungskraft und gesunden Bilanzen sowie eine vernünftige Diversifikation über verschiedene Sektoren bilden die Basis unserer Portfolios.
- Festverzinsliche Anlagen bleiben angesichts der weiterhin tiefen Renditen und des steigenden Zinstrends deutlich untergewichtet. Gerade im abgelaufenen Jahr erfüllten die Anleihen ihre eigentlich ausgleichende Funktion zu den volatileren Aktien nicht. Beide Anlageklassen haben starke Verluste eingefahren. Liquidität und Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten erfüllen die Funktion des nominellen Werterhalts weitgehend.
- Goldanlagen dienen, trotz jüngst einer gewissen Volatilität, als «Absicherung». Der Ölpreis bleibt volatil. Die grossen Energiefirmen haben in ihrer Profitabilität bedeutende Fortschritte erreicht. Damit werden sie wieder zu starken Dividendenzahlern.
Beilage 1
Beilage 2
Anlagepolitische Thesen 2022 / Kommentierung Januar 2023
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- Wir erwarten auch 2022 ein weltweites Wirtschaftswachstum, welches über dem langfristigen Trend liegen wird.
Die Weltwirtschaft entwickelte sich unter ihrem Potentialwachstum, was primär auf den Ukrainekonflikt und die damit verbundenen Auswirkungen zurückzuführen ist.
- Wir erwarten auch 2022 ein weltweites Wirtschaftswachstum, welches über dem langfristigen Trend liegen wird.
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- Die Zentralbanken werden ihr quantitatives Lockerungsprogramm beenden (USA) oder zurückfahren (Europa), aber keinen Absturz der Börsen riskieren wollen.
Die führenden Zentralbanken haben ihre Geldpolitik mittels mehrerer Zinserhöhungen und der Rückführung der Anleihenskaufprogramme deutlich restriktiver ausgerichtet. Die Börsen haben deutliche Kurseinbussen verzeichnet.
- Die Zentralbanken werden ihr quantitatives Lockerungsprogramm beenden (USA) oder zurückfahren (Europa), aber keinen Absturz der Börsen riskieren wollen.
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- Die Renditen langlaufender Anleihen werden wegen steigender Inflationserwartungen ansteigen. Die Inflation wird jedoch im Laufe des Jahres vom gegenwärtig hohen Niveau nachgeben.
Die Renditen langlaufender Anleihen sind markant gestiegen, die Inflation hat den Kulminationspunkt gegen Ende Jahr erreicht.
- Die Renditen langlaufender Anleihen werden wegen steigender Inflationserwartungen ansteigen. Die Inflation wird jedoch im Laufe des Jahres vom gegenwärtig hohen Niveau nachgeben.
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- Die Gesamtrenditen für Aktienanlagen werden im Vergleich zu 2021 deutlich bescheidener ausfallen.
Diese These ist zwar eingetreten, auch wenn wir nicht von negativen Gesamtrenditen für Aktienanlagen ausgingen.
- Die Gesamtrenditen für Aktienanlagen werden im Vergleich zu 2021 deutlich bescheidener ausfallen.
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- Wir erwarten eine Stabilisierung der Rohstoffpreise, inklusive Gold
Die Rohstoffpreise sind – zeitweise sehr deutlich – angestiegen.
- Wir erwarten eine Stabilisierung der Rohstoffpreise, inklusive Gold
Beilage 3
Anlagepolitische Thesen 2023
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- Wir erwarten eine milde Rezession mit anschliessender langsamer Wirtschaftserholung.
- Die Inflation wird im ersten Halbjahr 2023 ihren Höhepunkt erreichen und von dort nur allmählich nachgeben.
- Nach weiteren, nicht mehr so drastischen, Zinserhöhungen erwarten wir im Jahresverlauf eine Stabilisierung des Zinsniveaus. Eine rasche Lockerung ist aber in der Folge unwahrscheinlich.
- Wir erwarten ein moderat steigendes Zinsniveau an den Rentenmärkten.
- Bei Aktienanlagen ist von insgesamt leicht positiven Gesamtrenditen, bei hohen Schwankungen, auszugehen.
- Rohstoffpreise, inklusive Gold, bleiben stabil.